Wer noch nie auf beiden Buchmessen Deutschlands gewesen ist, mag sich fragen, wieso es überhaupt zwei Messen in unterschiedlichen Orten gibt. Die Frage hat sich das wiedervereinigte Deutschland auch gestellt und Leipzig hat sie mit einem wohl durchdachten Konzept beantwortet, das auch dieses Jahr wieder viele Besucher in die Stadt gelockt hat. Immerhin hat die Buchmesse in Leipzig ein viel längere Tradition und in der Tat ist diese Messe in der Bevölkerung ganz anders verankert. Während die Frankfurter Buchmesse 3 Tage lang ausschließlich für das Fachpublikum geöffnet ist und sich lediglich am Wochenende Besuchern aller Art öffnet, darf in Leipzig jeden Tag jeder über die Messe stromern, der das möchte. Und nicht nur das, zudem feiert die Stadt Leipzig während der Messetage ein wahres Lese-Fest: Ca. 3000 Autoren sind dieses Jahr nach Leipzig gereist und rund 62000 Menschen lauschten ihren Lesungen. Die Messe selbst zog während der 4 Tage insgesamt sogar 175000 Besucher an.
Das sind beeindruckende Zahlen, aber wie muss man sich dieses Lese-Fest vorstellen?
Für mich sieht das in etwa täglich auf’s Neue so aus: Am Hauptbahnhof versuche ich, mich in eine der überfüllten Strassenbahnen zu quetschen, die glücklicherweise alle 3 Minuten direkt zur Messe fahren. Hab ich es mal reingeschafft, stehe ich zwischen Besuchern jeden Alters, vielleicht auch Autoren, aber auf jeden Fall auch
Cosplayern – Cosplayer sind Leute, die sich wie eine Comicfigur aus einem Manga kostümieren, und das oft mit unendlicher Präzision und Kreativität – und komme fast automatisch mit ihnen ins Gespräch. An der Messe angekommen verteilen sich die Menschenmassen dann schnell auf die 5 Messehallen und darin wartet mein Paradies.
Grosse und kleine Verlage präsentieren an Ständen ihre Bücher und ich kann nach Herzenslust in denen herumblättern und sie sogar direkt dort kaufen, denn überall stehen gut zu erkennende Verkäufer der Messebuchhandlung. Mit oder ohne Buch finde ich in jeder Halle mehrere
Cafés, die nicht nur zum pausieren einladen, sondern in denen ich oft auch Autoren beim Lesen zuhören kann. Zudem sind die ARD, das Blaue Sofa, 3sat etc mit Ständen vertreten, an denen Autoren fachmännisch und unterhaltsam
interviewt werden. Natürlich darf auch die tägliche halbe Stunde “Druckfrisch” nicht fehlen, in der Denis Scheck wahnsinnig schnell und pointiert Bücher empfiehlt.
Da ich mir meist vorab keinen Plan für die Leipziger Buchmesse zurecht lege, höre ich oft Autoren zu, die mir bis dahin unbekannt waren, was mir unglaublich viel Spass bringt. Und wenn ich dann durch die Halle 1 streife, in der die Manga-Convention stattfand, dann frage ich mich immer wieder, warum ich mich eigentlich als Jugendliche nicht als mein Comic-Idol verkleidet habe und wer das eigentlich gewesen war. Ich kann mich gar nicht daran satt sehen, wie ausgefallen manche Kostüme sind und wie ausgefeilt die Posen, in denen sie den Fotografen stolz präsentiert werden.
An den Verlagsständen sehe ich häufig die Presse-Mitarbeiter, mit denen ich als Bloggerin den Rest des Jahres nur per Email kommuniziere. In Frankfurt vereinbare ich Termine mit ihnen, aber in Leipzig winke ich ihnen meist nur fröhlich zu und falls sie Zeit haben, plauschen wir spontan über die Neuerscheinungen. Andere
Fachbesucher treffe ich im Congress Center zu Networking-Treffen oder inhaltlichen Konferenzen und meist ist vor und nach den Terminen Zeit genügend Zeit für einen persönlichen Plausch. Auch in manchen Messehallen gibt es Cafés, die ausschliesslich Fachbesuchern offen stehen und in denen ich immer wieder Bekannte treffe und mich mit ihnen über unsere aktuellen Projekte austauschen.
Gegen 18h schliesst die Messe täglich ihre Pforten und spätestens dann beginnt der Run auf die Strassenbahnen, Taxen und die S-Bahn. Manche Besucher fahren sicher einfach nach Hause, aber für mich geht’s direkt zu einer Lesung, zum Essen mit Freunden aus der Buchwelt und danach je nach Energielevel noch in eine Bar oder auf eine der vielen Parties. Auf manche Feiern gelangt man nur mit Einladungen wie die der großen Verlage oder die alljährliche Feier der Aussteller in der Moritzbastei, andere Parties wie die der Jungen Verlage stehen allen Besuchern offen. Natürlich ist es besonders schön, dort viele Leute zu treffen, die ich eben nur auf Buchmessen sehe. Aber ich kann mir vorstellen, dass man da auch als kleine Gruppe von Freunden einen guten Abend verbringen und interessante Leute kennen lernen kann. Für mich stehen diese Abende meist unter dem Motto: Energie vs. Füße, weil ich an diesen Messetagen gefühlt täglich einen Marathon absolviere und immer noch nicht gelernt habe, tagsüber flache Schuhe anzuziehen. Aber das mindert weder die Freude über all die Wiedersehen, all die neu entdeckten Bücher und all die Inspirationen, die ich von jeder Buchmesse mit nach Hause nehme. Und wie immer ist der einzige Trost am Ende der Buchmesse, dass die nächste schon in 6 Monaten ihre Pforten öffnet.
von
Miriam Semrau, Diplom-Betriebswirtin und seit 15 Jahren in unterschiedlichen Bereichen des Finanzmanagements tätig – erst 12 Jahre bei Procter & Gamble und seit 3 Jahren bei ProSieben Sat.1. Ihre wechselnden Aufgaben haben sie bereits nach Frankfurt, Genf, Algerien und als letztes nach München geführt. In ihrer Freizeit hat sie vor 4 Jahren begonnen, über Bücher zu bloggen. Inzwischen betreibt sie als
Krimimimi einen eigenen Blog und moderiert mit dem Literaturkritiker des Hessischen Rundfunks die monatliche Sendung „
Krimi mit Mimi„. In beiden Medien bespricht sie regelmässig Krimis und Thriller.