Christine Westermann „Da geht noch was – Mit 65 in die Kurve“

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Selten habe ich ein Buch so gern vorgestellt wie dieses. Es ist feinfühlig, ausdrucksstark, lebensbejahend und erfreut den Leser zusätzlich durch sein überdurchschnittlich sprachliches Niveau. Um es vorwegzunehmen: Man darf gern auch deutlich jünger als 65 Jahre sein, um sich von der Lebensklugheit und positiven Energie dieses Buches anstecken zu lassen! Wenn ich mich bei Frau Westermann persönlich bedanken könnte, würde mein Brief an sie wie folgt anfangen:

„Liebe Frau Westermann,

vielen Dank für den Lesegenuss, den Sie mir während meines Osterurlaubs geschenkt haben. Schon bevor ich ihre humorvollen Ausführungen über das Älterwerden gelesen habe, hatte ich ein sehr entspanntes Verhältnis zu der zunehmenden Anzahl meiner Lebensjahre. Bei allen bisherigen runden Geburtstagen (der 50. ist in Sichtweite) hat mich stets das glückliche Gefühl begleitet, genau im richtigen Lebensabschnitt angekommen zu sein. Schön, dass Sie mir mit ihrem Buch Mut gemacht haben, auch mit 65 oder 70 … „die Kurve lebensfroh zu nehmen“. In meiner Freizeit bin ich passionierte Rennradfahrerin. Und wenn ich mir beim „lieben Gott“ etwas wünschen dürfte, dann wäre es mit 88 Jahren am Gardasee die entscheidende Kurve nicht zu kriegen, aber bis dahin habe ich noch einiges vor. Auch wenn ich nicht alle in Ihrem Buch offenbarten Lebensansichten teile, in einem Punkt bin ich mit Ihnen einig: Es kommt nicht auf das „Wieviel“ an, sondern auf die Richtung, die man seinem Leben noch geben will. …“

Bereits aus dem Buchtitel erschließt sich, dass Christine Westermann über das Älterwerden schreibt, obgleich die Autorin auf dem Cover keineswegs den Eindruck erweckt alt zu sein. So wie sie den Leser offen anschaut, nimmt man ihr sofort ab, dass „ da noch einiges geht“ in den nächsten Jahren. In der Einleitung lässt die Autorin ihre Leser wissen, dass „zwischen den Buchseiten 1 und 191 mehr als 2 Jahre liegen.“ Mit Mitte sechzig stellt sich Frau Westermann erstmals zwei existenziellen Fragen: „Wo will ich noch hin mit meinem Leben? Wo will das Leben noch mit mir hin?“ Ihren sehr persönlichen Weg auf der Suche nach möglichen Antworten schildert sie im Buch. Unter Anderem nimmt sie sich eine „Auszeit“ in einem Zen-Buddhistischen Zentrum, bei der sie sich für eine Reportage von Fernsehkameras begleiten lässt .Ihre persönlichen Eindrücke während der Schweigemeditationstage schildert sie mit tiefgründigem Humor. Zu meinen Lieblingspassagen im Buch gehört Kapitel 7, in dem sie mit einer gehörigen Portion Selbstironie ein Interview mit einem weiteren Seminarteilnehmer schildert oder die Episode über den Gingko Baum, in den Frau Westermann zunächst kein Vertrauen setzt, von dem sie dann aber positiv überrascht wird. Bäume im Allgemeinen eignen sich ja besonders gut als Synonym für Kraftentfaltung gerade mit zunehmenden „Lebensringen“. Erfreulicherweise besteht das Buch aus zahllosen so anregenden, kurzen, jeweils in sich abgeschlossenen Kapiteln, so dass man es auch zwischendurch immer einmal aus der Hand legen kann, ohne den Faden zu verlieren (gerade über Feiertage – Ostern – unerlässlich). Auf der ersten Etappe ihrer Reise in einen neuen Lebensabschnitt erfährt Westermann vor allem Achtsamkeit mit sich selbst und begreift ihre Umwelt neu. Dabei spielen die in der Auszeit begonnen Meditationserfahrungen eine nicht unwichtige Rolle. Frau Westermann lässt sich aber weder vom Zen-Buddhismus selbst, noch von anderen derzeit angesagten Trends vereinnahmen, sondern geht und sucht ihren individuellen Weg weiter.Auf eine Fortsetzung darf man also gespannt sein.

Kiepenheuer & Witsch 7. November 2013, mittlerweile bereits in der 4. Auflage erhältlich, 17,99 €; ISBN 978-3-462-04561-1

Pia-Alexandra Kappus