Erlebnisse im Nachtzug

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Anfang der Woche bin ich kurzfristig von München nach Hamburg gefahren. Die Termine für ein Jobinterview und eine Wohnungsbesichtigung haben sich von alleine hintereinander gelegt, also hab ich nur eine kurze Stippvisite geplant: Dienstag morgen mit dem ICE los und abends mit dem Nachtzug zurück. Ich habe mich zwar gewundert, warum der ICE am Tag die Strecke in 6 Stunden zurücklegt und der Nachtzug (IC) dafür 9,5 Stunden benötigt, aber letztlich war es mir ganz recht, Mittwoch morgen „erst“ um 7h wieder in München zu sein.

Das Abenteuer Nachtzug begann dann bereits beim Warten auf den Zug. Der hatte nämlich bereits am Hamburger Hauptbahnhof 50min Verspätung. Meine Banknachbarin kommentierte das trocken mit den Worten „Das ist jeden Tag so, die brauchen in Altona immer länger als geplant, die Autos zu beladen. Im Winter sind die Züge dann wieder pünktlich.“ Liebe Bahn, wie wär’s damit, den Fahrplan an die tatsächlichen Ladezeiten anzupassen?
Immerhin war die Expertin sich sicher, dass der Zug die Verspätung unterwegs aufholen würde, indem er auf der Strecke einfach weniger lange steht.

Der rüstige Rentner zu meiner Rechten hat mir zum Glück die Wartezeit aufs Angenehmste vertrieben, indem er mir von seiner Fahrradtour erzählte. Er ist in 15 Tagen von München nach Flensburg geradelt, auch mal überraschend durch tiefen Sand, aber ohne Pannen und grosses Popoweh. Selbstverständlich war dies nicht seine erste lange Radtour, aber die erste ohne seine Frau, die leider gerade Knieprobleme hat. Daher möchte er jetzt auch schnell zurück zu ihr fahren, obwohl es im Norden wirklich schön sei.
So möchte ich später bitte auch sein.

Als der Zug kam, suchte ich meinen Platz in Wagen 23 und schaute einigermassen baff, als nach Wagen 22 direkt Wagen 24 angekoppelt war. Die Zugbegleiterin sagte auf meine Frage nach der 23 nur, da müsse ich halt suchen, sie sei auch gerade erst beim Zug angekommen. Glücklicherweise hing Wagen 23 zwischen 24 und 25, ich hatte ihn also schnell gefunden und mich im Liegewagen-Abteil mit einem schwedischen Paar und einem jungen Mann eingerichtet. Als die Ich-bin-auch-gerade-erst-gekommen-Zugbegleiterin unsere Fahrkarten kontrollierte, machten wir sie darauf aufmerksam, dass die Steckdosen nicht funktionierten. Sie versprach, sich zu kümmern und ging.

Irgendwann später klappte der junge Mann mir gegenüber seinen Laptop zu, weil der Akku leer war. Das mit dem Kümmern hat nicht so geklappt.

Geweckt wurden wir dann von einer Durchsage des Zugführers mit der Information, dass der Zug weiterhin 45min Verspätung habe und er deshalb München Hauptbahnhof nicht anfahren würde. Der Nachtzug fahre direkt nach München Ost und wer zum HBF wolle, solle in Augsburg umsteigen. Geschickterweise wiederholte er die Ansage nicht auf Englisch, so dass ich als Übersetzerin für das schwedische Paar fungierte. Als Dankeschön berichteten die Schweden, dass sie auf dem Weg zu ihrem Segelschiff seien, das am Mittelmeer liege. Sie haben ihre Wohnung in Stockholm verkauft und gingen nun für 1, 3, 5 oder mehr Jahre segeln und falls ich eine Teilstrecke mit ihnen unterwegs sein wolle, solle ich mich einfach melden.

Ende gut, alles gut 🙂 Und irgendwie fahre ich ja auch genau deshalb immer wieder mit der Bahn, weil so viel Unerwartetes geschieht. Geht es Ihnen auch so?

 

Miriam Semrau