Der Bundestag ist sehr fleißig dieser Tage. Erst hat er die „Mietpreisbremse“ beschlossen und nur einen Tag später die „Frauenquote“.
Auf den ersten Blick haben beide allerdings wenig miteinander zu tun; jedenfalls wenn man sich nicht in völlig alberne Verschwörungstheorien versteigen will, wonach mit der (in den Bundesländern erst noch zu schaffenden und nur in bestimmten Gebieten überhaupt möglichen) Mietpreisbremse auch kinderreichen Familien die Möglichkeit eröffnet werden soll, bezahlbaren Wohnraum zu bekommen, ohne dass die Mütter arbeiten gehen müssen und dadurch der Anteil der Frauen auf dem Arbeitsmarkt „ausgebremst“ wird. Das ist natürlich völliger Blödsinn und geht vollständig an der Realität vorbei. Erstaunlicherweise könnte aber genau darin die Gemeinsamkeit zwischen beiden Bundestagsbeschlüssen liegen. Vermutlich gehen sie nämlich beide vollständig an der Realität vorbei.
Für die Mietpreisbremse maße ich mir diesbezüglich kein eigenes Urteil an, halte aber die Meinung vieler Experten für plausibel, wobei dadurch der Kern des Problems, nämlich die für einen freien Marktwettbewerb fehlende Anzahl von Wohnungen, nicht gelöst werden wird. Mit der Frauenquote verhält es sich allerdings kaum anders. Sie wird den Kern des Problems nicht lösen. Einfach weil die Ursachen für die geringe Beteiligung von Frauen in Führungspositionen so vielschichtig sind, dass sie durch staatlich auferlegte Zwangsrichtlinien nicht zu lösen sind. Und da wäre es wahrlich zu einfach, die Schuld daran allein der hohen Männerdominanz in politischen wie wirtschaftlichen und rechtlichen Gremien zu geben. Es handelt sich vielmehr um ein gesamtgesellschaftliches Problem, bei dem es gerade nicht darum gehen kann, dass durch starre Quotenerfüllung der Anteil der Frauen in verantwortungsvollen Machtpositionen zwangsweise aufgestockt wird. Ohne ein Umdenken in allen Teilen der Gesellschaft wird sich an der Situation der Frauen auf dem Arbeitsmarkt nichts ändern. Und wenn man den Beschluss des Deutschen Bundestages zur Frauenquote anschaut, muss man sich wohl vor allem einmal fragen, ob die Gesellschaft insgesamt eigentlich wirklich will, dass sich die Situation der Frauen auf dem Arbeitsmarkt ändert, denn darauf zielt die Frauenquote im Kern gar nicht ab. Sie betrifft nicht die durchschnittliche Hausfrau, die jedenfalls vor der Mietpreisbremse arbeiten gehen musste, um die Miete mitzufinanzieren. Tatsächlich betrifft die neue gesetzliche Regelung insgesamt nur 100 börsennotierte Unternehmen. Wir sprechen also über ungefähr 300 Stellen in ganz Deutschland! Hinzu kommt, dass für entsprechende Aufsichtsratspositionen selbstverständlich nur Frauen in Frage kommen, die hoch qualifiziert sind und bereits langjährige Berufserfahrung in verantwortungsvollen Positionen haben.
Damit ist klar, die Frauenquote wird an der Arbeitsmarktsituation der durchschnittlichen deutschen Arbeitnehmerin nichts ändern. Ob sie die Unternehmenskultur insgesamt ändern und dazu führen wird, dass durch den Führungsstil neuer Aufsichtsrätinnen tatsächlich auch in den mittleren Führungsebenen mehr Frauen zum Zuge kommen, ist äußerst fraglich. Jedenfalls in meiner arbeitsrechtlichen Praxis gibt es dafür keine hoffnungsvollen Anzeichen. Und man muss hoffen, dass Frauen, die den Aufstieg unter vielerlei Entsagung geschafft haben, nun nicht „das Kind mit dem Bade ausschütten“, will sagen: Sich noch härter als ihre männlichen Kollegen gegenüber Frauen geben, nur um jedem Verdacht dahingehend vorzubeugen, sie bevorzugten Geschlechtsgenossinnen unangemessen. Damit sich die Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen auf dem gesamten Arbeitsmarkt und nicht nur in den Aufsichtsräten in Zukunft langsam annähern können, wird es keiner Quote bedürfen, sondern einer guten Strategie vor allem für einen erfolgreichen Wiedereinstieg von Müttern .Ohne dieses Potential werden wir nämlich gar nicht genug Frauen haben, die den Arbeitsmarkt erobern können.
Der Schlüssel zur Gleichberechtigung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt liegt nicht in Zwangsregeln und Quoten, sondern in einem gesamtgesellschaftlichen Umdenken im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben, und zwar in allen beruflichen Ebenen, auch in hochqualifizierten Positionen. So lange Teilzeitstellen in verantwortungsvollen Positionen, ab der Abteilungsleiterebene aufwärts, von Personalchefs oder Personalchefinnen für nicht umsetzbar deklariert werden, ist die Frauenquote nicht einmal der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein. Aber auch anders herum wird ein Schuh draus. So lange jede Mutter, die ihr Kind bereits im Babyalter, weit vor der 3-Jahres-Kindergartengrenze, in eine Krippe gibt, einer nicht unerheblichen gesellschaftlichen Ächtung als „Rabenmutter“ ausgesetzt ist, brauchen sich Personalleiter auch nicht allzu sehr anzustrengen, um neue Teilzeitplätze zu schaffen.
Und natürlich muss sich das Umdenken nicht nur bei den Frauen selbst vollziehen, sondern eben gesamtgesellschaftlich und damit auch bei den Männern. Würden mehr Männer die Elternzeit nutzen, zumindest auf Zeit die Managementposition ihres privaten kleinen Familienunternehmens zu übernehmen, wäre ihnen klar, dass es eine besser organisierte Mitarbeiterin als eine Mutter von einem oder mehreren Kinder kaum gibt. Vermutlich wäre eine Männerquote bei der Anzahl der Erzieher in Kindergärten bzw. der Lehrer in Grundschulen die gesamtgesellschaftlich viel effektivere Maßnahme als eine Frauenquote für Aufsichtsräte.
Pia-Alexandra Kappus