KarriereInterview mit einer Sommelière

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Frau Gottschik, zunächst einmal vielen Dank, dass Sie sich zu diesem Interview bereit erklärt haben und unseren Lesern damit einen Einblick in den Alltag einer Sommelière ermöglichen.

Ist es immer noch üblich, dem Herren die Weinkarte zu überreichen und ihm die Weinauswahl zu überlassen oder wählen neuerdings auch häufiger die Frauen den Wein aus?

Es ist überwiegend noch so, dass aus reiner Gewohnheit den Männern die Weinkarte gereicht wird. In der gehobenen Gastronomie fragt der Sommelier durchaus vorher nach, wem er die Weinkarte geben darf, wenn er an den Tisch kommt. Es gibt immer mehr Frauen, die sich für Weine interessieren und auskennen. Frauen sind außerdem die besseren Verkoster, denn Sie haben genetisch bedingt die besseren Nasen und Zungen. Trotzdem wird die Weinauswahl meistens immer noch den Herren überlassen.

Wie kamen Sie auf die Idee eine Ausbildung zur Sommelière zu machen?

Ich habe während meiner Ausbildung zur Hotelfachfrau die Freude am Wein für mich entdeckt. Ich erinnere mich noch genau, als ich eines abends im Restaurant gearbeitet habe und einen Tisch abräumen musste auf dem eine Flasche stand in dem noch etwas Wein übrig war. Diesen habe ich dann sogleich verkostet. Der Restaurantleiter hatte den Lehrlingen empfohlen dies so oft es geht zu tun um den Geschmackssinn zu schulen. Der Wein hat mich auf der Zunge getroffen wie Liebe auf den ersten Blick. Es war ein Wein aus Frankreich vom Weingut De Ladoucette an der Loire namens Baron de L.

Nach meiner Ausbildung habe ich ein Jahr an der Côte d’Azur gearbeitet und von dort aus die ersten Weingüter besucht und Weine vor Ort verkostet. Das hat mir sehr großen Spaß gemacht. Viele Jahre habe in nur in Ländern Urlaub gemacht in denen Wein angebaut wurde und ich Weingüter besuchen konnte, wie z.B. Australien, Neuseeland, Südafrika. Im Jahr 2006 hatte eine Weinzeitschrift einen Weinwettbewerb ausgeschrieben an dem ich teilgenommen habe und den 4. Platz belegte. Anschließend durfte ich beim Weingut Robert Weil im Rheingau und an der Hochschule für Weinbau in Geisenheim ein Praktikum machen. Hier habe ich mein Weinwissen nochmal deutlich verbessern können und mein Interesse am Wein wurde auch gleichzeitig immer stärker. Die Ausbildung zur Sommelière  habe ich im Oktober 2010 begonnen und im Juni 2011 erfolgreich abgeschlossen.

Wie dürfen wir uns den Alltag einer Sommelière vorstellen, sitzen Sie weitestgehend als Teil einer Jury in mehr oder minder schönen Weinkellern und prämieren deutsche Weine oder reisen Sie in ganz Europa herum auf der Suche nach dem besten Rot- oder Weißwein?

Das kommt ganz darauf an welche Laufbahn man einschlägt. Man unterscheidet den Sommelier Handel und den Sommelier Gastronomie. Der Sommelier Gastronomie ist in Restaurants anzutreffen und empfiehlt den Gästen den passenden Wein zum Essen, kümmert sich um Weinbestellungen und verwaltet die Weinbestände im Keller. Der Sommelier Handel arbeitet in der Regel für Weinimporteure oder im Einzelhandel und berät die Gastronomie  und den Endverbraucher beim Weinkauf. Verkosten um gute Weine zu entdecken und auch die gleichbleibende Qualität und den Geschmack des neuen Weinjahrgangs zu prüfen gehört für beide Sommeliers auf jeden Fall zum Berufsalltag. Jeder Sommelier kann prinzipiell als Jurymitglied fungieren. Dazu bewirbt man sich einfach bei den entsprechenden Instanzen welche die Wettbewerbe ausschreiben.

Wie hat sich durch die Ausbildung ihre persönliche Beziehung zum Wein und vielleicht auch ihr persönliches Trinkverhalten geändert?

Meine Beziehung zum Wein ist unverändert, ich trinke nach wie vor die Weine die mir schmecken und auch in gleicher Menge! Mein Wissen um das Thema Wein ist jedoch wesentlich profunder geworden. Wie viel Arbeit ein Winzer das Jahr über hat und dabei den Witterungsverhältnissen völlig ausgeliefert ist, bis der Wein abgefüllt in der Flasche vor ihm steht, ist schon enorm. Das habe ich vor der Ausbildung völlig unterschätzt. Dabei müssen die Qualität und der Geschmack auch konstant über die Jahre gehalten werden, das erwartet der Endverbraucher einfach. Ich habe festgestellt, dass sich mein Weingeschmack regelmäßig nach einigen Jahren verändert was die Rebsorte und das Land betrifft. Ich entdecke auch immer wieder neue Weine, die Welt der Weine ist eben sehr groß und auch sehr vielfältig!

Wie reagiert Ihre Umwelt, Freunde und Bekannte z.B. bei Festen darauf, dass Sie Weinkennerin sind?

Das ist sehr spannend, am Anfang habe ich eine Weile gebraucht um zu realisieren dass auf Festen genau beobachtet wurde welchen Wein und in welchen Mengen ich getrunken habe. Hatte ich wenig konsumiert hieß es dann der Wein sei nicht gut, weil ich wenig getrunken hatte. Dabei bin ich überhaupt kein Maßstab was die Quantität angeht, ich trinke Wein lediglich für den Genuss und manchmal sind ein oder zwei Gläser für mich schon ausreichend. Ich werde oft nach meinem Urteil zu einem bestimmten Wein gefragt den jemand zu Hause bei sich im Keller lagert oder aus dem Urlaub mitgebracht hat. Sofern es sich nicht um namhafte Erzeuger und große Weine handelt ist es schier unmöglich genau diesen Wein zu kennen. Das wäre genauso als wenn man nach einem bestimmten Buch eines bestimmten Schriftstellers fragen würde. Wenn das Buch nicht gerade auf der Bestsellerliste steht oder ein Klassiker ist müsste es ein großer Zufall sein, es zu kennen. Nicht selten sind die Leute enttäuscht wenn ich genau ihren Wein nicht kenne…

Was macht für Sie einen guten Wein aus?

Ein guter Wein ist der, der mir schmeckt!

Das muss aber nicht zwangsläufig ein teurer Wein mit großem Namen sein. Zunächst einmal prüfe ich vor dem verkosten das Bukett (Geruch) und danach die Farbe des Weines. Ein Wein sollte klar sein und nach dem Öffnen nicht muffig riechen. Dann nehme ich den ersten Schluck und anschließend bilde ich mir mein Urteil. Ich mag meine Weine mit Charakter, also einem unverwechselbarem Geschmack. Ein hochwertiger Wein schmeckt nach dem Schlucken noch eine Weile nach, und ist in sich stimmig. Ein Kriterium ist natürlich auch der Preis. Es besteht ein gewisser Zusammenhang zwischen dem Preis und dem Geschmack des Weines. Der ist aber nicht linear und nicht stetig. Also doppelt so teuer muss nicht unbedingt doppelt so gut sein. Im Billigsegment gibt es nur sehr wenig gutes. Außerdem bekommt man von einem guten Wein keine Kopfschmerzen, da er rein ist und kaum Zusatzstoffe enthält. Direkt vom Winzer sind solche Weine durchaus preiswert zu bekommen.

Bisher habe ich als Sommelier in Restaurants und Hotels eigentlich immer nur Männer wahrgenommen, ist das ein Eindruck der trügt?

Als ich 2006 an einem Weinkenner Wettbewerb teilgenommen habe und ins Finale gekommen bin, war ich damals die einzige Frau unter den 10 Finalisten. Bei meiner Ausbildung zur Sommelière im Jahr 2011 war mehr als die Hälfte der Eleven in der Klasse weiblich. Auch bei Verkostungen und Weinmessen begegnet man immer mehr Frauen. Allerdings ist es in der gehobenen Gastronomie nach wie vor so, dass überwiegend Männer den passenden Wein zum Essen empfehlen. Das hat sehr oft damit zu tun, dass Frauen sich nach ein paar Jahren im Berufsleben für Familie und Kinder entscheiden und beides meistens nicht mit den Arbeitszeiten in der Gastronomie zusammenpasst

Vielen Dank für das Interview, welches ich mit einer letzten Frage schließen möchte, für die Leser, deren Interesse wir jetzt an einer Sommelier Ausbildung geweckt haben sollten.

Wie lange dauert eine solche Ausbildung und wo kann man sie absolvieren?

Die Ausbildung zum Sommelier kann zum Beispiel über die Industrie und Handelskammer absolviert werden. Um zugelassen zu werden benötigt man eine abgeschlossene Ausbildung in der Gastronomie bzw. Hotellerie oder als Winzer und mindestens 2 Jahre Berufserfahrung sowie ein Praktikum im Weinberg. Es werden unterschiedliche Kursvarianten angeboten vom Vollzeitkurs der 6 Wochen dauert über berufsbegleitende Kurse die 10 Monate dauern über Fernstudium und online Kurse die bequem von zu Hause aus gemacht werden können.

Pia Kappus sprach mit Hannelore Gottschik über Beruf und Berufung einer Sommelière.