Der Schreibtisch quillt über von Dokumenten, die unbedingt noch vor dem Urlaub abgearbeitet werden müssen. Das Telefon steht nicht still, weil jeder vor der Urlaubszeit unbedingt auch noch seine wichtige Angelegenheit bearbeitet haben möchte und zugleich erinnert einen das beständige Surren der Klimaanlage daran, dass draußen, gleich vor der Bürotür, der Sommer auf einen wartet. Endlich Ferien. Endlich Ruhe von dem täglichen Stress, nix sehen und nix hören vom Büro, einfach nur Faulenzen – wie man sich das in den stressigen letzten Bürotagen vor den Ferien herbeisehnt. Jetzt noch Koffer packen, Proviant, Lesestoff, alles zusammenraffen, was die Kinder mitnehmen möchten, den Hund nicht vergessen …
Also gut, sind wir ehrlich, auch die unmittelbaren persönlichen Ferienvorbereitungen sind noch Stress, aber dann wird abgeschaltet vom Alltag. Das ist für Viele die Idealvorstellung, aber ist das wirklich immer so einfach mit dem Abschalten? Nicht jeder findet so schnell den Schalter zum Umlegen zwischen Alltagstress und Ferienrhythmus. „Faulenzen“ ist oftmals gar nicht so einfach, wie es sich anhört. Letztlich nehmen wir uns ja alle auch in den Urlaub genauso mit, wie wir im Alltag sind, mit all unseren beruflichen Problemen und privaten Stärken sowie Schwächen. Wer den ganzen Tag im Büro powert, der wird, selbst wenn er den Schalter auf Urlaubsmodus gestellt hat, weder Körper noch Geist sofort davon überzeugen können, auf Kommando abzuschalten und vielleicht will er das ja auch gar nicht. Nicht umsonst raten Ärzte gestressten Managern zum Aktivurlaub. Tatsächlich hilft Sport auch im Urlaub ungemein beim Abschalten.
Rennradfahren zum Beispiel. Kaum sitze ich auf dem Rad, denke ich weder an mein Büro noch an ungelöste Probleme und Aufgaben. Kein Terminstress, keine Hetze, nur noch Entspannung. Zumindest dachte ich das, bis in meinem diesjährigen Urlaub der Kilometerzähler meines Rennrades „den Geist aufgab“: Bei Kilometer 15 war Schluss, keine Geschwindigkeitsangabe mehr, kein Tageskilometer, keine Fahrtdauer, keine Uhrzeit … einfach nix mehr und 60 Kilometer lagen noch vor mir. Was hab ich mich geärgert. Ohne jegliche Angaben über meine aktuelle Geschwindigkeit und die Durchschnitts-geschwindigkeit sowie die Tageshöchstgeschwindigkeit und die bereits zurückgelegten Kilometer, die Fahrtzeit usw. hatte ich ja plötzlich gar keine Kontrolle mehr. Das ging ja gar nicht. Eine neue Batterie musste her. Blöd nur, dass ich kein Radprofi mit eigenem Servicewagen bin und am Wegesrand meiner auserkorenen Radstrecke in der Provence auch keine Radläden zu finden waren. Am nächsten Tag, einem Sonntag, wollte mir natürlich auch keiner eine passende Batterie verkaufen und so reihte sich Radkilometer an Radkilometer, ohne in meinem kleinen nützlichen Kilometerzähler verzeichnet zu sein. Auch an den Kontrollverlust über meine Geschwindigkeit und die bereits zurückgelegte Strecke konnte ich mich nicht wirklich gewöhnen. So war am darauffolgenden Montag der erste geöffnete Radladen, den ich sah, meiner. Siegessicher ließ ich mir dort die Batterie des kleinen Gerätes wechseln, nur um feststellen zu müssen, dass es gar nicht an der Batterie lag. Offenbar war das kleine Wunderwerk der Technik selbst kaputt. Selbstverständlich bot mir der Händler umgehend ein neues zum Kauf an, inclusive Montage und automatisch zückte ich bereits meine Kreditkarte, als mir der Gedanke kam, dass der Totalausfall des kleinen Kilometer- und Geschwindigkeitsdauerüberwachers für die Urlaubserholung vielleicht sogar von Nutzen sein könnte. Losgelöst von Raum und Zeit weiter zu radeln – kein Stress, keine Hetze, keine Dauerkontrolle: auch das kann Urlaub sein.
Zu Hause kaufe ich mir dann aber sicherlich das neuste Hightech-Gerät, drahtlos, mit Pulsmesser und allem, was Technik überwachen kann!
Pia-Alexandra Kappus